Zeitlich begrenzte Dialyse

Bei akut kritisch kranken Patienten auf der Intensivstation besteht oft eine klinische und prognostische Unsicherheit. Ein akuter Nierenschaden findet sich bei 10-56% der Intensivpatienten und ist mit einer deutlich erhöhten Sterblichkeit assoziiert (50% bei schwerem AKI).

Eine zunächst zeitlich limitierte Dialyse, mit klaren klinischen und patientenbezogenen Zielen (u.a. Lebensqualitätszielen), ist im Rahmen der unklaren Prognose oft sinnvoll. Dabei Balance aus Nutzen und „nicht Schaden“ berücksichtigen.

  • Patient (und Familie) können einschätzen lernen, was Dialyse bedeutet
  • das klinische Ansprechen kann evaluiert werden

Die zeitliche Begrenzung sollte in Abhängigkeit von der Ursache des Nierenversagens und der Gesamtprognose des Patienten festgelegt und im Verlauf angepasst werden.

Wann ?

  • Wenn der Benefit unklar ist aber Patient und Familie eine Behandlung wollen
  • Bei klinischer Unsicherheit
  • Kein Konsens herstellbar ist (Konflikt)

An festgelegten Punkten sollte eine klare Kommunikation erfolgen zu:

  • Prognose
  • Kurz- und Langzeit Zielen
  • Pläne für gutes oder fehlendes Ansprechen auf die Therapie

Behandlungsteam

  • Prognose und Empfehlung sollten mit dem Behandlungsteam geteilt werden
  • Interprofessionelle Differenzen klären
  • gemeinsame Entscheidungsfindung
  • Palliativ Team einbinden

Familiäre emotionale Reaktion (70% Angst, 35% Depression, 33% Stress, 50% Schwierigkeiten die medizinischen Informationen zu verstehen) auf die kritischen Erkrankung erschwert die Entscheidungsfindung. Palliative Care / Team hilft !

Prediction of Risk of Death for Patients Starting Dialysis A Systematic Review and Meta-Analysis

CJASN 14: 1213–1227, 2019. doi: https://doi.org/10.2215/CJN.00050119

Validierte prognostische Indices für die Mortalitätsprognose von inzidenten Dialysepatienten

Ergebnisse

36 Studien mit 32 prognostischen Scores

Discrimination area under the curve (AUC) von 0,71

höchste AUC gefunden für:

OBI 0,74 (95% CI, 0,7-0,78)

IVORY 0,74 (95% 0,71-0,77)

Charlson comorbidity index 0,74 (95% 0,65-0,83)

Diskussion

Es gibt verschiedene gut validierte Scores für die Fragestellung

CCI (Charlson comorbidity index) wird am häufigsten genutzt und bietet die beste und konsistenteste Einschätzung

nur wenige Scores sind einfach zu berechnen

8 Indices die die 6-Monats Mortalität einschätzen

5 Indices die die 3-Monats Mortalität einschätzen

keine prospektiven Studien, keine Studien die prüfe, ob die Mortalitätsprädiktion die Entscheidungsfindung beeinflusst

Patienten und Ärzte tendieren dazu zu optimistisch zu sein

unklar ob prognostische Informationen Patienten helfen ihre Prognose besser einzuschätzen

Ärzte zögern Indizes einzusetzen, die nur eine Diskriminierung von 0,7 – 0,75 bieten

größte Hürde für Ärzte ist die Sorge Hoffnungen zu nehmen und falsche Vorhersagen zu machen

Zusätzlich ist das Thema emotional und Kommunikationsskills fehlen

Conclusion

Prognose ist ein Schlüsselelement des „shared decision making“

bisher ist sie kaum in die Entscheidungsfindung bei Dialysestart integriert

Es gibt verschiedene validierte Indices, die aber bisher kaum am Patientenbett genutzt wurden

Kidney supportive care: core curriculum 2020

intensives Management der körperlichen Symptome, Erfassen und Behandeln der nichtkörperlichen Symptome, patientenzentrierte (nicht krankheitszentrierte) Therapie und Erfassen der Wünsche

2016 waren in den USA bei Dialyse-Start 50% älter als 65 J. und 23% älter als 75 J.

  • Mit Alter und Komorbiditäten ist eine hohe Sterblichkeit und Symptomlast assoziiert.
  • Lebenserwartung oft geringer als bei vielen Tumorerkrankungen.
  • Von den 75-jährige die mit der Dialyse starten überleben im Mittel 63% das erste Jahr und 33% die ersten 3 Jahre.
  • bei älteren Patienten mit ischämischer Herzerkrankung oder über 80 J. ist die Dialyse oft nicht mit einem Überlebensvorteil assoziiert – bzw. “ much of the „added time is spent at dialysis“

Symptom Management

  • Patienten berichten nicht alle Symptome
  • regelmäßiges Assessment mit validierten Tools kann die Symptomlast reduzieren
  • wichtige Themen sind Juckreiz und Depression
  • häufigste Beschwerden sind „Mund-Symptome“ und Tabletten-Menge

Akuter Nierenschaden

im Krankenhaus weist der akute Nierenschaden oft auf eine schwere Erkrankung hin

Entscheidung nicht auf Alter, Fragebögen und Komorbiditäten reduzieren sondern mit Patient und ihren engsten Unterstützern gemeinsam treffen

  • Lebenszeit oft nachrangig, wichtiger sind Unabhängigkeit, dialysefreie Zeit und die Möglichkeit zu reisen

patientenzentrierte Kommunikation über die Prognose und Verlauf der Erkrankung

  • Exploration der Möglichkeit einer konservativen Therapie (ohne Dialyse)
  • psychosoziales und spirituelles Assessment
  • Gesundheitskompetenz und der prognostischen Wahrnehmung; „Was wissen (und denken) sie über ihre aktuelle Krankheit(ssituation)?“
  • Sorgen, Hoffnungen und Prioritäten
  • Vorlieben und Ziele
  • Begleiterkrankungen (fortgeschrittene Herz-, Leber- oder onkologische Erkrankungen) berücksichtigen und ggf. durch Experten bewerten

Hauptherausforderung im shared decision making ist die prognostische Unsicherheit

  • von 283 Patienten, die im Krankenhaus mit der Dialyse beginnen mussten waren 26% nach 30 Tagen, 51% nach 6 Monaten und 62% nach einem Jahr gestorben
  • Prognose Tools/Scores wurden nicht für akuten Nierenschaden evaluiert
  • bei begleitend schwerer anderer Erkrankung ggf. ein begrenzter Therapieversuch (Bridging bis die Niere sich erholt / bis zu einem wichtigen Lebensereignis / Symptombesserung / Verbesserung von Kraft und Mobilität)

intensive psychologische und spirituelle Begleitung

Aufklären häufiger Probleme: wie Gefäßzugang, Hypotonien, Transport, Wartezeiten, Dauer der Therapie)

ggf. symptomorientierte Therapie, Palliativstation und Hospiz anbieten

Beenden einer Dialysetherapie

  • 3. häufigste Todesursache von Patienten mit Nierenversagen (nach Herzkreislauferkrankungen, Infektionen)
  • frühes Erkennen des Wunsches verbessert die Versorgung am Lebensende
  • Ursachen sind v.a. akute „medizinische Dekompensation“ und fehlende Besserungsaussichten
  • Überlebenszeit ist im Mittel 7,4 (0 – 40) Tage
  • Evaluieren der Gründe, Quelle und Reversibilität der Verschlechterung/Ursache, Entscheidungskompetenz des Patienten, Unterstützung der Familie